Skip to content

Liebe schenken – wie geht das?

Der Amerikaner sagt gerne mal «I love…» und meint damit Freund, Hund, Auto, Job oder ein-fach seinen Lieblings-Hamburger! Wie so vieles schwappt diese Mode über den grossen Teich und Teenies hierzulande lieben auch schon alles, dass sie eigentlich nur mögen, gern tun oder schön finden. Ich möchte mich hier auf die Liebe zu Personen konzentrieren.


Liebe gelingt Menschen besser, die über die Stärke Bindungsfähigkeit verfügen. In der Positi-ven Psychologie ist sie eine der 24 erstrebenswerten Charakterstärken. Sie bedeutet, menschliche Nähe herstellen und Beziehungen aufbauen zu können, in denen Gefühle erwi-dert werden. Menschen mit dieser Stärke gestalten Beziehungen so, dass sie von Zuneigung, gegenseitiger Hilfeleistung und Akzeptanz gekennzeichnet sind. Und zwar zu beliebig vielen Personen. Es lohnt sich, denn Bindungsfähigkeit korreliert nach einer Studie der Universität Zürich sehr hoch mit Lebens- und – interessanterweise – auch mit Arbeitszufriedenheit.


Was kann man tun, wenn Bindungsfähigkeit nicht gerade zu den eigenen Stärken gehört? Der Weg dahin führt über die Selbstliebe. Lernen, sich selber so anzunehmen, wie man ist, scheint für viele Menschen eine grosse Herausforderung zu sein. Wie gehe ich vor, um mich selbst mehr zu lieben? Zunächst gilt es, sich besser kennen zu lernen. Ich kann mich gar nie richtig akzeptieren, wenn mein Selbstbild nicht der Realität entspricht. Bei andern Menschen haben wir weniger Mühe, Stärken und Schwächen zu erkennen. Mühsame Selbstreflexion hingegen scheuen wir und vertrauen lieber auf die gewohnten Denkmuster über uns selbst, welche oft mit falschen Annahmen unterlegt sind. Um diese loszuwerden, gilt es, sich in Selbstbeobachtung zu üben. Der Möglichkeiten sind viele: Tagebuch schreiben, eigene Emo-tionen wahrnehmen und versuchen zu benennen, Persönlichkeitstests ausfüllen, Fachperso-nen beiziehen. Einfach und effizient ist es, andere Menschen zu fragen, wie sie uns sehen oder in Situationen erlebt haben. Das braucht Mut. Sich entwickeln geht aber nicht ohne Auf-wand. Dafür ist die Belohnung hoch: ein besserer Zugang zu sich selbst und ein klareres Bild der eigenen Stärken. Fokussiere ich nun mein Denken und meine Handlungen mehr auf das, was ich gut kann, ergeben sich mehr Erfolgserlebnisse und die Selbstliebe vertieft sich von alleine. Und damit auch die Bindungsfähigkeit.


In der Paarbeziehung wird die Bindungsfähigkeit öfters auf die Probe gestellt. Hilfreich ist es, den Unterschied zwischen Verliebtheit und Liebe zu kennen. Viele Beziehungen brechen aus-einander, wenn die ersten Schmetterlinge verflogen sind. Verliebtheit dauert zwischen zwei Wochen und gut zwei Jahren. Verhalten und Gefühle, die uns in diesem Zustand bewegen, werden der Jugend zugeordnet: Spontanität, Unsicherheit, Euphorie, Abenteuerlust, Risikobe-reitschaft, Träumerei. Sie halten uns auf Trab, lassen uns lebendig fühlen und versetzen uns in Dauer-Aufbruchstimmung. Kein Wunder, sehnen wir uns danach zurück, wenn die Realität uns eingeholt hat. Wenn wir glauben, den geliebten Menschen nun zu kennen, seine Ecken und Kanten spüren, und dieser morgens auch mal nicht gut aussieht oder riecht.


Dann zeigt sich, ob die neu aufkommenden Liebesgefühle reichen, die Beziehung zu erhalten. Ist es mir wichtig, dass ich mich jemanden anvertrauen kann? Dass ich meine Erfahrungen und Gefühle ungefiltert mitteilen kann? Nehme ich wahr, dass Ausruhen in einem gewohnten Umfeld Geborgenheit bringt und meiner Erholung sehr förderlich ist? Dass ich einen Sparring-partner habe, der mir hilft, im Leben weiter zu kommen? Dass Verständnis, Verbundenheit und Akzeptanz mich stärken? Wenn nicht, dann ist der Übergang von Verliebtheit zu Liebe nicht geglückt.

Was tun, wenn die Partnerschaft grundsätzlich stimmt, aber man Verliebtheitsgefühlen nach-hängt? Seitensprünge oder Affären lassen wir mal beiseite, denn Jugendgefühle können auch anders erlangt werden, wie sich in eine neue Person verlieben. Die Partner sollten tolerant sein, sich viel Freiraum zugestehen und dem andern die Jugendspielwiese gönnen: Sport oder herausfordernde Hobbies bieten sich an, mit Freunden an Konzerte, Partys oder auf Reisen gehen. Es gibt viele Möglichkeiten, auch solche, die man als Paar entdecken kann.


Weihnachten wird auch das Fest der Liebe genannt. Egal ob mit dem Partner, sich selbst oder anderen Menschen – eine gute Gelegenheit, an der Bindungsfähigkeit zu üben.

Letzte Artikel

Digitalsierung und Glück

Die Diskussion über die Auswirkungen der Digitalisierung auf unserGlücksempfinden ist aktueller denn je. Wie die Digitalisierung unserWohlbefinden und Glück beeinflusst wollte auch Martina Luterbacher von Abacus Research AG für ihr
Weiterlesen

Was macht Familien glücklich?

Im Teaser-Interview für das Elternforum 2023 erfährst du, warum Erziehung auch eine Mutfrage ist und warum die Digitalisierung im Familienalltag Fluch und Segen ist. Viel Spass beim Lesen! SG-Tagblatt_Was-Familien-gluecklich-macht_Nov23.pdf
Weiterlesen

Glück kann erlernt werden – und Träume helfen dabei!

Glück kann erlernt werden – und Träume helfen dabei! Als aktiver Gestalter des Lebens bin ich davon überzeugt, dass man sich kontinuierlich persönlich weiterentwickeln kann. Zum Beispiel über die Kultivierung
Weiterlesen

Wird Glück überbewertet?

Ja, aber… Meine Antwort in der aktuellen Ausgabe der Sprechstunde Dr. Stutz.
Weiterlesen

Schwächen und Krisen gehören zum Leben

Studien zeigen, dass bei grösseren Lebenskrisen in 80% der Fälle die Menschen gestärkt daraus hervorgehen, man nennt das posttraumatisches Wachstum. Im Artikel erzähle ich von meiner schlimmsten Zeit und was
Weiterlesen

Wie komme ich zu mehr Flow-Erlebnissen?

Inspiration Challenge: Finde hier heraus, was deine Charakterstärken sind. https://www.youtube.com/watch?v=wBbppUdSR4I
Weiterlesen